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Mittwoch, 29. Mai 2013

Das Verhältnis Rudolf Steiners zu Edith Maryon.Teil 2: Die Abgrenzung Steiners




Teil 2

Wir kehren zum Verhältnis Steiners zu Maryon zurück. Steiner musste in einer beispiellosen Strenge gegenüber Maryon die Grenzen setzten. Dies betrifft die Arbeit, die er an der Holzplastik mit ihr zusammen tat. Das ist kein typisches Verhalten von ihm. 

Was man daraus ablesen kann, heisst: Steiner hat Maryon, die ohne die Zusage von ihm erhalten zu haben, selber zu ihm nach Dornach kam, angenommen als seine Mitarbeiterin. Sie hatte allerdings viele grundsätzlich von der Geistesrichtung Steiners verschiedene Elemente und Denkansätzen mitgebracht und in sich während der Arbeit weiter getragen. Dennoch gab es einen karmischen Grund, dass sie zu der anthroposophischen Bewegung dazu kam. Das wurde auch von der geistigen Welt so angenommen. Doch für Steiner wurde dadurch ein strengstes Grenzensetzen gegenüber Maryon eine unabdingbare Notwendigkeit. Ohne diese strenge Massnahme hätten – aus dem bereits genannten Mangel der Wahrnehmung der Ich-Positionierung in den Beziehungen und Stellungen – ihre völlig andersartigen Einflüsse, die an ihr in karmischer Art vorhanden waren, die Geistesrichtung Steiners wie ein Tsunami überdeckt und ihre eigenen Richtungen durchgesetzt.

Über dieses eigenartige und sonderbare Verhalten Steiners zu Maryon sprach Rudolf Steiner selber dann in  seiner Anrede nach dem Tod Edith Maryons. Der Leser sollte selber darüber die eigenen Urteile bilden. 





Aus «Gedenkworte für Charlotte Ferreri und Edith Maryon>, Sanistag, 3. Mai 1924, in Dornach (GA 261)
(Fette Merkierungen durch J.A. )

"Meine lieben Freunde, nun haben wir die irdischen Überreste von Edith Maryon nach dem Krematorium in Basel zu schicken gehabt. Freitag früh ist die Mitgliedschaft unserer Anthroposophischen Gesellschaft, soweit sie hier ist, von der schmerzlichen Nachricht betroffen worden, daß unsere langjährige Mitarbeiterin, Mitarbeiterin seit dem Beginne der Arbeit hier am Goetheanum, Edith Maryon, den physischen Plan verlassen hat....
Edith Maryon hat das, was in der anthroposophischen Bewegung zu finden ist, dadurch gesucht, daß sie zunächst innerhalb einer anderen esoterischen Gruppe Mitglied war und an den verschiedensten Arbeiten dieser Gruppe als ein sehr tätiges Mitglied teilgenommen hatte. Es han delt sich da um eine esoterische Gruppe, die dann später in einer Reihe von Mitgliedern auch den Eingang in unsere anthroposophische Bewegung gefunden hat. Dann kam, noch immer zu kurzen Besuchen der anthroposophischen Bewegung innerhalb Deutschlands, Edith Maryon aus England herüber. Es wurde ihr zuerst das Äußerliche des Einglie derns schwer, da sie nicht Deutsch verstand. Sie überwand aber mit einem eisernen Fleiße gerade dieses Hindernis und konnte so in einer verhältnismäßig kurzen Zeit sich ganz hineinfügen in alles, was innerhalb gerade des deutschsprechenden Teiles der anthroposophischen Bewe gung gegeben wird. Sie fand sich so innig mit der anthroposophischen Bewegung zusammen, daß sie schon von 1914 ab, von der ersten Arbeit hier ab, teilnahm von der Seite ihrer besonderen Künstlerschaft aus.
Edith Maryon war eine bekannte Bildhauerin seit langem. Sie hat bildhauerische Porträts der angesehensten Persönlichkeiten der englischen Politik und Diplomatie und Gesellschaft gemacht, die Anerkennung gefunden haben. Es ist natürlich schwer, gerade auf dem Gebiete der Kunst heute durchzudringen; aber bis zu einem hohen Grade ist es Miss Maryon gelungen, zur Geltung innerhalb der bildhauerischen Kunst zu kommen.
Das Wesentlichste ihrer Seele war aber nicht irgend ein besonderer Zweig menschlicher Betätigung, und sei es auch der der Kunst, das Wesentlichste ihrer Seelen-Tendenzen, ihrer Seelen-Intentionen war das Streben nach Geistigkeit, das sie eben, wie gesagt, schon in jener esoterischen Gruppe gesucht hatte, in der sie war vor ihrem Zutritt zur anthroposophischen Bewegung. Vorzugsweise diese esoterische Vertiefung war auch das, was sie dann fortdauernd suchte innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft für sich und für das Streben ihrer Seele. Dabei aber war sie durchaus von einer weitgehenden und umfassenden Absicht beseelt, mitzuarbeiten an unserem Werke. Und das ist, was ich hier darstellen möchte, weil ja Edith Maryon eine langjährige und intensive Mitarbeiterin war, und wir diese nun in ihr verloren haben.

Ich möchte darauf hinweisen, wie sie in gewisser Beziehung doch vorbildlich war gerade in der besonderen Art ihrer Hingabe an die Gesellschaft, insofern es sich um Mitarbeiterschaft an der Gesellschaft handelt. Anthroposophie ist heute, meine lieben Freunde, eine nicht nur in der Welt viel angefochtene, sondern auch schwer zu vollbringende Sache, wenn sie ernst genommen wird.
Wird Anthroposophie und anthroposophische Bewegung ernst genommen, dann geht es eigentlich nicht anders, als daß der einzelne das, was er aus diesem oder jenem Gebiete hereinzuarbeiten in der Lage ist, sozusagen am Opfer-Altare des Wirkens der Gesellschaft darbringt. Und so war es bei Miss Maryon Sie hat ihre gesamte Künstlerschaft am Opfer-Altare der anthroposophischen Sache dargebracht. Denn sie war hineingewachsen in eine Art von Bildhauerkunst, wie man sie eben heute gewinnt, wenn man die entsprechende Schule durchmacht, wenn man alles das durchmacht, was dann die Möglichkeit herbeiführt, vor ein für Kunst Interesse habendes Publikum zu treten und so weiter. Das alles - es darf eben gesagt werden, weil es Miss Maryon durchaus verstanden hat - hilft eigentlich gar nichts innerhalb der anthroposophischen Bewegung. Derjenige, der glaubt, daß das etwas hilft innerhalb der anthroposophischen Bewegung, der ist doch auf einem falschen Wege. Man kann in einer gewissen Beziehung in die anthroposophische Bewegung nichts hineintragen, sondern man muß eigentlich zunächst das liegen lassen, was man vorher hat, wenn man aktiv mitarbeiten will. Wer das nicht glaubt, der hat doch nicht eine eindringliche Ansicht davon, inwieweit anthroposophische Bewegung, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen will, wenn sie ihr Ziel erreichen will, sein muß etwas durchaus aus den allerursprünglichsten Quellen der Menschheits-Entwickelung heraus schöpfendes Neues. Und so wie es auf den verschiedensten Gebieten geht, meine lieben Freunde, so ist es auch auf dem Gebiete der Bildhauerkunst gegangen, als es sich darum handelte, diesen uns leider in so schmerzlicher Weise entrissenen Goetheanum-Bau auszuführen.

Edith Maryon hat ja nicht bloß an der Ausarbeitung der Mittelpunkts-Gruppe teilgenommen, sondern an dem mannigfaltigsten Bildhauerischen, das zustandezubringen war für die Aufrichtung des Goetheanums. Dabei handelt es sich gar nicht immer bloß darum, irgend ein Modell für etwas herzustellen, sondern es handelt sich darum, alle die äußerlich nicht eigentlich sichtbaren Arbeiten zu leisten, die schon einmal notwendig sind, wenn eine solche spezielle Kunst sich in das jenige eingliedern soll, was im allgemeinen das Goetheanum wollen muß. Und so ist eigentlich, wenn wir von vornherein voll uns mit dem Bewußtsein durchdringen, daß eben in Miss Maryon ein Mensch in die anthroposophische Bewegung hereingekommen ist, der im eifrigsten, vollsten Sinne das Esoterische gesucht hat, in die Waagschale die Art und Weise zu werfen, wie sich die von dem physischen Plan jetzt Weggegangene wirklich in die Arbeit hineingestellt hat. Das ist, was ich gerade, indem ich Ihre Erinnerung an sie wachrufen will, besonders charakterisieren möchte. Es ist ganz natürlich, meine lieben Freunde, wenn jemand etwas von außen hereinbringt, sei es diese oder jene Kunst. Jedes, was durch äußere Schulung hereingebracht wird, ist eigentlich von vornherein etwas - ich bitte das nur in aller Tiefe aufzufassen -, mit dem ich gewissermaßen nicht einverstanden sein kann, so daß immer das Hereingebrachte eigentlich nicht das ist, mit dem ich einverstanden sein kann. Dennoch ist es zum Gedeihen des Ganzen notwendig, daß der einzelne sein Können bringt. Es ist Ihnen das von vornherein begreiflich, daß der einzelne sein Können bringen muß. Der Bildhauer muß sein Können bringen.

Der Maler muß sein Können bringen und so weiter, und so weiter. Es ist Ihnen das begreiflich, denn sonst hätte ich den ganzen Goetheanum Bau allein aufführen müssen. Also es sind Mitarbeiter für das Goethe anum wirklich im intensivsten Sinne notwendig gewesen, Mitarbeiter, welche das Beste ihres Könnens bringen, aber auch dieses Beste ihres Könnens eben opfern, weil, wenn ich das Äußere der Sache ausdrücke, ich eigentlich mit dem, was hereingebracht wird, niemals einverstanden sein kann.

Das, was ich nun selber von mir aus zu leisten hatte in der Bildhauerkunst, war natürlich etwas wesentlich anderes, als was Miss Maryon hereinbringen konnte. Um was konnte es sich also eigentlich handeln dabei? Es konnte sich nicht darum handeln, etwa so zusammenzuwirken, daß irgend eine Resultante des Zusammenwirkens entstanden wäre, sondern es konnte sich nur darum handeln, daß die Arbeit so geleistet wurde, wie ich es haben mußte, wie sie geleistet werden mußte nach den Intentionen des Goetheanums, die ich zu vertreten hatte.

Sehen Sie, meine lieben Freunde, dabei kommt in Betracht, daß nun ein ganz neues Interesse entsteht: das Interesse an der Arbeit selber. Dazu gehören dann Menschen, welche ohne irgend etwas anderes dieses Interesse an der Arbeit haben, daß die Arbeit als solche zustandekommt.Ob man einverstanden ist miteinander oder nicht, die Arbeit muß zu standekommen, die Arbeit muß möglich sein. Indem ich dieses charakterisiere, charakterisiere ich gerade das, was notwendig für die Arbeit am Goetheanum ist.

Und es brachte Miss Maryon zwei Eigenschaften mit, die, ich möchte sagen, diejenigen sind, die beim wirklichen Arbeiten in der anthroposophischen Bewegung vor allen Dingen notwendig sind, zwei Eigenschaf ten, auf denen eigentlich der Grundstock des Wirkens von Miss Maryon hier am Goetheanum und überhaupt in der Anthroposophischen Gesellschaft beruhte. Das war erstens eine ganz in sich abgeschlossene Zuver lässigkeit. Es gab keine Möglichkeit, daß irgend etwas, was von mir beabsichtigt war, was Miss Maryon hätte ausführen sollen, daß das nicht ausgeführt worden wäre, daß das nicht in vollstem Sinne ernst genom men worden wäre und bis zu dem Punkte gebracht worden wäre, bis zu dem es zu bringen war, der in der Angabe lag. Das ist die eine Eigenschaft, die man braucht - ich meine innerhalb der anthroposophi schen Arbeit -, daß wenn von mir selber etwas angegeben wird, daß es dann bei der Angabe gewissermaßen genügt, daß einfach das Faktum der Angabe dastehen kann und daß dann die Sicherheit vorliegt, daß die Sache ausgeführt wird.
Das Zweite war ein außerordentlich stark ausgeprägter praktischer Sinn. Gerade bei der Gelegenheit des Hinwegganges vom physischen Plane darf das gesagt werden, aus dem Grunde, weil eigentlich dieser praktische Sinn das ist, was wir restlos zurücklassen hier auf Erden, wenn wir durch die Pforte des Todes gehen, was aber unerläßlich ist, wenn es sich darum handelt, wirklich zu arbeiten. Sehen Sie, es gibt viele Idealisten, die bloße Idealisten ohne praktischen Sinn sind. Und es ist schön, wenn es Idealisten gibt, und der Idealist selber ist schön. Aber der Idealist mit praktischem Sinn ist doch das, was in der Welt notwendig ist. Und die bloßen Idealisten sind angewiesen auf diejenigen Menschen, die einen allseitigen praktischen Sinn entwickeln, wenn diese praktischen Leute nur auf derselben Höhe des Idealismus stehen. Die Verachtung des praktischen Sinnes ist es durchaus nicht, was irgendwie gerade zu einer solchen, vom Geiste durchdrungenen, vom Geiste durchzogenen Arbeit führen kann, wie sie innerhalb der Anthroposo phischen Gesellschaft und Bewegung dringend notwendig ist. Da sind Leute mit praktischem Sinn ganz besonders wertvoll. Da sind Leute wertvoll, die Bildhauer sind, aber auch wirltlich, wenn es nötig ist, an einer Stelle, wo eine besondere Ausgestaltung dazu notwendig ist, einen Lampenschirm machen können, die alles eigentlich, was sie sich vorneh men, in einer gewissen Weise können. Selbstverständlich liegt das immer in gewissen Grenzen. Aber wir brauchen schon Menschen innerhalb der anthroposophischen Bewegung, welche das, was sie wollen, auch wirklich können, denn wollen tun eben viele Menschen, aber das Ge deihen unserer Anthroposophischen Gesellschaft beruht auf denen, die das können, was sie wollen.
Es ist auch hier öfter der Ausspruch von Fichte angeführt worden:
Der Mensch kann, was er soll, und wenn er sagt, ich kann nicht, so will er nicht.
Diese zwei Eigenschaften haben dann Miss Maryon dazu geführt,
wirklich vieles zu tun, was in stiller, ruhiger Art getan worden ist, nachdem sie eigentlich ihre eigene Bildhauerkunst nur noch sporadisch zur Geltung brachte, und ohne das eigentlich die Arbeit der letzten Jahre nicht möglich gewesen wäre.
Dabei hat sie dieses ihr praktisches Interesse und ihren praktischen Sinn auch über anderes ausgedehnt, was eben durchaus unsere Bewegung gefördert hat. Ihren selbstlosen Bemühungen ist es zuzuschreiben, daß der Lehrerkurs hier zustande gekommen ist, der vor einiger Zeit um die Weihnachtszeit herum war, der von englischen Lehrern und Lehre rinnen besucht war. Ihren selbstlosen Bemühungen ist es zuzuschreiben, daß Mrs. Mackenzie sich in der energischesten Weise für die Bewegung namentlich auf pädagogischem Gebiete in englisch sprechenden Ländern so stark eingesetzt hat. Zuletzt geht es auch auf ihre selbstlosen Bemü hungen zurück, daß der Oxforder Kursus hat stattfinden können, der Stratforder Shakespeare-Besuch hat stattfinden können und manches andere gerade in der Vermittelung zwischen der anthroposophischen Zentrale und den englisch sprechenden Gebieten.Dabei war außerordentlich wertvoll, daß sie aber auch wiederum da, wo sie wirkte, nirgends einen starken Widerstand entgegensetzte, wenn es sich darum handelte, eine Intention, die ihr lieb war, ganz abzuändern. So ist zum Beispiel in ihr der Gedanke der Eurythmie-Figuren entstanden, der Gedanke, auch die ersten Versuche, solche Eurythmie-Figuren zu machen. Der Gedanke war ein außerordentlich fruchtbarer. Die Gestalt der Eurythmie-Figuren selber mußte aber ganz abgeändert werden. Miss Maryon hat nie davor zurückgeschreckt, irgend etwas ganz abzuändern den Verhältnissen gemäß, so daß nach dieser Richtung etwa der Widerstand eines Eigensinnes nicht gewirkt hat.

Und so darf ich sagen, meine lieben Freunde, es ist durch die jetzt vom physischen Plan Hinweggegangene viele stille, ruhige Arbeit gelei stet worden, für die die Anthroposophische Gesellschaft wirklich alle Veranlassung hat, innig dankbar zu sein. Ich will nicht einmal so sehr auf die Quantität dabei sehen, gewiß, der Quantität nach leisten sehr viele sehr viel, aber Arbeit der Qualität nach, der Einreihung dieser Arbeit in die anthroposophische Sache nach, ist von der Dahingegange nen sehr viel geleistet worden, das eigentlich unersetzlich ist.

Unersetzlich ist nur dasjenige in der Entwickelung der Menschheit, was eine besondere innere Qualität hat. Gewiß, auch solche Dinge können ersetzt werden, aber dann kommt eben eine gleiche innere Qualität. In der Regel aber werden sie in der Entwickelung nicht ersetzt. Und es muß nun einmal auch mit diesem Karma gerechnet werden, daß gerade diese besondere Qualität Miss Maryons fehlen wird bei der Erbauung des zweiten Goetheanums.
Es sind allerdings die merkwürdigsten Schicksalsverkettungen gerade mit der Errichtung des ersten und zweiten Goetheanums verbunden. Der Keim zu der Erkrankung von Miss Maryon ist gelegt worden während der Brandnacht des Goetheanums. Und von dem, was durch diesen Keim gelegt worden ist während der Brandnacht des Goetheanums, konnte sie wirklich durch die sorgfältigste Pflege nicht geheilt werden. Das sind eben karmische Zusammenhänge. Und gegen diese karmischen Zusammenhänge kann zwar selbstverständlich und muß sehr viel durch die Heilkunst getan werden, aber das Karma wirkt doch eisern, und man muß dann, wenn auch die sorgfältigste Pflege nicht zum Ziele führen konnte, dann erst eigentlich an das Karma denken. Während ein Mensch noch auf dem physischen Plane ist, darf nur daran gedacht werden, wie er geheilt werden kann. Und nach dieser Richtung hin ist wirklich durch die ganz aufopferungsvollen Bemühungen von Frau Dr. Wegman alles geschehen, was nur geschehen konnte. Edith Maryon hat auch an der Seite von Frau Dr. Wegman - ich selbst konnte ja, abgehalten durch andere Verpflichtungen, nicht zugegen sein - den physischen Plan verlassen.
Nun, meine lieben Freunde, ich habe damit auf die besondere Art der Verbindung hingewiesen, welche zwischen der Anthroposophischen Gesellschaft und Edith Maryon bestand. Und ich glaube, daß diese Art der Verbindung dasjenige sein wird, was Miss Maryon unvergeßlich machen wird für die Anthroposophische Gesellschaft. Unvergeßlich wird sie all denjenigen Mitgliedern sein, denen sie in der einen oder in der anderen Weise im Laufe der Zeit hier entgegengetreten ist, und ich darf alles das, was im Speziellen der Dahingegangenen noch nachzurufen ist, dann ihr nachrufen, wenn wir am Dienstag um elf Uhr die Totenfeier im Basler Krematorium haben werden.

Das, was ich heute zu sagen hatte, sollte durchaus darinnen gipfeln, zu zeigen, wie hier ein stilles, aufopferungsvolles Arbeitsleben innerhalb der anthroposophischen Sache gewirkt hat, das unersetzlich ist, und von dem ich gewiß bin, daß diejenigen, die verstehen, was es eigentlich heißt, leitend, wie ich es tun muß, innerhalb der anthroposophischen Bewegung zu wirken, das Gesagte in einem verständnisvollen Sinne aufnehmen werden. Es ist nicht leicht, innerhalb der anthroposophi schen Bewegung verantwortlich zu wirken.
Meine lieben Freunde, betrachten Sie das, was ich an Miss Maryons Tod anschließe, zu gleicher Zeit als etwas, was ich heute ganz im allge meinen zu Ihnen sagen möchte. Diese Leitung, was bedingt sie denn? Diese Leitung bedingt nämlich das folgende, und ich habe insbesondere oftmals seit der Weihnachtstagung auf das ganz Besondere hinweisen müssen, was diese Leitung der anthroposophischen Bewegung bedingt. Sie bedingt, daß dasjenige, was im Zusammenhange mit mir geschieht, ich selber in der Lage bin, hinaufzutragen in die geistige Welt, um nicht nur eine Verantwortung zu erfüllen gegenüber von irgend etwas, was hier auf dem physischen Plane ist, sondern eine Verantwortung, die durchaus hinaufgeht in die geistigen Welten. Und sehen Sie, Sie müssen sich schon, wenn Sie im rechten Sinne mitmachen wollen, namentlich dasjenige mitmachen wollen, was die anthroposophische Bewegung seit der Weihnachtstagung geworden ist, in diesen Gedanken hineinfinden, was es heißt, vor der geistigen Welt die anthroposophische Bewegung zu verantworten.

Ich könnte viel über dieses Thema reden, und ich möchte das eine von dem vielen gerade bei dieser Gelegenheit sagen. Natürlich, bei den Nienschen, die in der anthroposophischen Bewegung sind, kommen mannigfaltige persönliche Dinge zum Ausdruck. Dasjenige, was auf der Erde als Persönliches vertreten wird, das ist, wenn es sich vermischt mit dem, was gerade für die anthroposophische Sache geschehen soll, ein Element, das der geistigen Welt gegenüber, wenn es persönlich bleibt, nicht zu verantworten ist. Und welche Schwierigkeiten erwachsen dem, der irgend eine Sache vor der geistigen Welt verantwortungsvoll zu vertreten hat, wenn er zuweilen mitzubringen hat mit dem, was er zu verantworten hat, das, was aus den persönlichsten Aspirationen der teilnehmenden Menschen kommt!
Was das bewirkt, dessen sollten Sie sich doch ein wenig auch bewußt sein. Es bewirkt die schauderhaftesten Rückschläge von seiten der geistigen Welt heraus, wenn man der geistigen Welt in der folgenden Art gegenüberzutreten hat.
Irgend ein Mensch arbeitet mit in der anthroposophischen Bewegung. Er arbeitet mit; aber er arbeitet in das, was er mitarbeitet, persönliche Ambitionen, persönliche Intentionen, persönliche Qualitäten hinein. Nun hat man dann diese persönlichen Ambitionen, diese persönlichen Tendenzen. Die meisten wissen nicht, daß sie persönlich sind, die mei sten halten das, was sie tun, eben für unpersönlich, weil sie sich selber täuschen über das Persönliche und Unpersönliche. Das ist dann mitzu nehmen. Und das wirkt in den wirklich schaudervollsten Rückschlägen heraus aus der geistigen Welt auf denjenigen, der diese Dinge, die aus den Persönlichkeiten hervorquellen, mit hineinzutragen hat in die geisti ge Welt.
Das sind innere Schwierigkeiten, meine lieben Freunde, die sich gerade für eine solche Bewegung ergeben, wie die der Anthroposophie innerhalb der Anthroposophischen Gesellschaft. Und es muß schon sein, daß darauf aufmerksam gemacht werde. Gewiß, es ist schrecklich, daß wir solch schreckliche Gegner haben, aber diese Gegner müssen halt in irgend einer Weise in der richtigen Art von uns behandelt werden. Aber in bezug auf das Innere, wie Anthroposophie zu vertreten ist, ist es viel schrecklicher, wenn es nötig wird, das, was erarbeitet wird inner halb der anthroposophischen Bewegung, das belastet hinauftragen zu mussen in die geistige Welt, belastet mit persönlichen Interessen des einen oder des anderen. Und es wird wenig eigentlich nachgedacht gerade über dieses Faktum.Das ist es, was ich erwähnen muß, wenn ich gerade die besondere Leistung von Edith Maryon charakterisieren will. Und in dieser Beziehung ist die Anthroposophische Gesellschaft der Hingegangenen zu einem großen Dank verpflichtet, weil sie immer mehr und mehr verstanden hat, ihre Arbeit gerade in diesem Sinne zu leisten. Das sind die Dinge, die ich heute vorbringen wollte und vorbringen sollte aus dem Gedanken heraus, daß ja solche Leistungen, symbolisch gesprochen, wirklich in das goldene Buch der Anthroposophischen Gesellschaft eingetragen sind, und vor allen Dingen in die Herzensbücher der Mitglieder eingetragen werden sollten.
Es ist gewiß auch ganz in Ihrem Sinn, wenn ich das heute und am Dienstag bei der Kremation zu Entwickelnde so auf Ihre Herzen lege, daß ich Sie bitte, Ihre Gedanken hinauf zu richten zu der in geistige Welten Eingetretenen, denn ihre Gedanken werden ganz gewiß beim weiteren Fortgang der anthroposophischen Bewegung sein. Und durch die Art und Weise, wie sie sich in dieselbe hineingestellt hat, werden sie kraftvolle Gedanken sein, und es wird daher auch etwas Kraftvolles darstellen, sich mit ihren Gedanken zu verbinden. Und zum Zeichen dafür, daß das unser Wille ist, werden wir uns von unseren Sitzen zur Ehrung der Dahingegangenen erheben in der sicheren Zuversicht, daß dadurch eine schöne, eine bleibende, eine für die anthroposophische Bewegung kraftvolle Verbindung entstanden ist.Nun, meine lieben Freunde, ich habe das, was ich heute zu Ihnen zu sagen hatte, was in einem gewissen Sinne auch mit dem Karma Gedanken zusammenhängt, denn Leben und Lehre hängen für uns zusammen, schon hineingefügt in die beiden Nachrufe, die ich bewegten Herzens heute zu sprechen hatte. Es wird jetzt meine Aufgabe sein, die Betrachtungen über das Karma weiter fortzusetzen, so daß dasjenige, was wir gewonnen haben durch die Betrachtung einzelner karmischer Zusammenhänge in der Menschenwelt, nunmehr wird seine Anwendung finden können, wenn wir die große Frage stellen werden in unserem eigenen Herzen, in unserem individuellen Sein, wie das, was wir persön lich erleben, was wir sehen als oftmals erdrückende, oftmals erfreuliche Ereignisse in unserer Umgebung, was wir erschüttert sehen, erschüttert mitmachen, wie das zum Karma steht, wenn wir das schicksalsgemäß, karmisch beobachten wollen, wenn wir durch die Beobachtung des Karmas zu einem kraftvollen Wirken in dem Leben kommen wollen. Das wird sich anschließen können an die karmischen Betrachtungen, die wir seit Wochen gepflogen haben und die wir dann morgen in besonderer Anwendung auf den einzelnen individuellen Menschen, das heißt auf das individuelle menschliche Erleben, auf die persönliche Stellung des Menschen zum Karma. in dieser Weise anfangen werden auszugestalten." Zitat Ende




Steiner betont zwar in der Ansprache, dass Nichts, was von woanders mitgebracht wird, für ihn gut sei und dass er deshalb es ganz ablehnen muss. Aber dies ist eindeutig etwas zu übertrieben von ihm dargestellt. Marie Steiner hat z.B: ihre Sprachkunst, die sie in Frankreich sich aneignete, direkt in die Sprachgestaltung einfliessen lassen. Er liess sehr viel von ihr eingeständig machen. Viele andere Mitarbeiter haben ihre wissenschaftliche Grundlage von aussen mitgebracht. Aber die obige strenge Abgrenzung hat mit dem Hintergrund Maryons zu tun. Steiner meint in obiger Ansprach doch ziemlich speziell den Fall Maryons. Steiner war sehr freundlich gegenüber ihr. Aber aus den ganz konkreten Tatsachen geht hervor, dass er zwar Maryon schätzte, aber sich zugleich wegen der bereits in Teil 1 genannten speziellen Neigung von ihr sich abgrenzen musste. Ausserdem war Maryon mit von seiner Geisteswissenschaft sehr fremden Einflüssen geprägt. Nicht gegenüber der Person Maryon, aber wohl gegenüber den fremden Einflüssen, die durch ihre bereits genante Neigung sonst hineinkämen, musste er sich abgrenzen. 



Monika Kasper schrieb uns in Bezug auf dieses Thema ihren Eindruck. Sie beschreibt damit als jemand, der eigentlich kaum von der Beziehung zwischen Steiner und Maryon etwas kennt, was sie unbefangen am Nachruf von Steiner erfahren kann. Weil Monika beruflich als eine Expertin im Bereich der Literatur arbeitet und sie stets die Interpretationen vergleichbarer und unterschiedlicher Literatur als eine Dozentin an der Uni durchnimmt, deshalb  ist ihr unbefangener und gleichzeitig beruflich geschulter Expertinnen-Blick sehr interessant:

«Steiner deutet im Nachruf an, dass sich Edith Marion durch einen aussergewöhnlich starken persönlichen Eigenwillen auszeichnete. Dieser Eigenwille war so stark, dass sie sich sogar in der Kunstszene der damaligen Zeit einen Namen machen konnte, was ja nicht einfach war. Die Bedingung, unter der Edith Marion der Anthroposophie beitreten konnte - man fragt sich übrigens, welcher esoterischen Gruppe sie zuvor angehörte und warum Steiner hier nicht konkreter wird - war die, dass sie diesen Eigenwillen zu hundert Prozent opfern musste. Sie hat es offensichtlich getan, aber doch vielleicht nur so, dass sie das Objekt dieses Eigenwillens gewechselt hat, nicht jedoch den Eigenwillen selbst transformieren konnte. Mit anderen Worten: Sie hat im anthroposophischen Sinn gearbeitet, diese Arbeit jedoch zu sehr als ihr eigenes Werk betrachtet. Der Brand des ersten Goetheanums hat ihr dieses Werk aus den Händen genommen, und was sie selber nicht vermochte, den Eigenwillen zu transformieren, wurde durch die Krankheit in Gang gebracht.»






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Junko Althaus

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